Während ständig von Bürokratieentlastung gesprochen wird, werden ohne Unterlass neue Richtlinien und Regulierungen eingeführt. Zum Schutz von Verbrauchern, der Umwelt, der Gesundheit. Ja, doch, das alles erscheint uns allen plausibel. Wie allerdings Verwaltung und Betriebe die ständig neu erschaffenen Regeln umsetzen sollen, das scheint deren Erzeugerinnen und Erzeuger wenig zu interessieren.
Das Ifo-Institut spricht in dem Papier ifo Schnelldienst 11/2024: Kosten der Bürokratie von der erdrückenden bürokratischen Last deutscher Unternehmen. Das Papier enthält eine Reihe von Artikeln. Ich habe mir insbesondere Lösungen angeschaut. (Die verwendeten Artikel liste ich am Ende auf.)
Bürokratische Anforderungen schrecken viele Unternehmer von Investitionen ab. Sie stellen Vorhaben zurück, befürchten schleppende Genehmigungsverfahren, fürchten die komplexen Steuergesetze.
Das beschäftigt auch Tanja Gönner vom BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie). Ihre Empfehlung: kulturelles Umdenken. „Statt pauschalem Misstrauen wäre das Vertrauen in die Rechtstreue von Betrieben der Regelfall.“
Vertrauenvorschuss für Unternehmen
Vertrauen bringe der Staat ja auch dem Bürger entgegen. Konkret: Er muss Einzelnen ein Fehlverhalten erst mal nachweisen. Das solle man auch Unternehmen zugestehen. „Würde man Bürger so behandeln wie Unternehmen, müssten diese die Fotodokumentation eines Parkscheins an das Ordnungsamt senden.“
Ganz klar: Weniger Regeln bedeuten auch mehr Fehler. Doch wird mittlerweile nicht allerorten eine Fehlerkultur propagiert? Mitarbeiter, Teams, Chefs sollen aus ihren Fehlern lernen ‚dürfen‘ und nicht abgestraft werden. Und seien wir doch ehrlich. Auch jetzt gibt es die Profiteure mit der nötigen kriminellen Energie, die den Bürokratiedschungel geschickt zu umgehen oder für sich zu nutzen wissen.
Bürokratie stoppen – Vertrauen und Fehlerkultur aufbauen
Bürger und Interessengruppen, so Klaus M. Schmidt, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, forderten immer mehr Regelungen ein. Beispiel Umweltschutz: die Regelungen seien mittlerweile fast unüberschaubar. Ebenso bei Datenschutz, Gesundheitsschutz, sozialer Absicherung.
Meine Erfahrung bei meiner Hausbank, wenn ich Geld anlegen will oder mein Depot auffrischen: Meine Beraterin bittet mich dann immer inständig, ihr das Aufsetzen des Beratungsprotokolls zu ersparen. Was ich auch tue, ich kenne sie schon lange und vertraue ihr. Überhaupt bin ich bereit für mein Handeln die Verantwortung zu übernehmen.
Experimentieren, Irren und daraus die richtigen Schlüsse ziehen
Jedem Einzelfall wolle man gerecht werden, so Schmidt weiter. Auch Schutzansprüche würden oft bedingungslos eingefordert. „Der Datenschutz muss lückenlos durchgesetzt werden, der Brandschutz muss jede denkbare Gefahrensituation ausschließen, der rigoros durchgesetzte Denkmalschutz macht Renovierungen so teuer, dass Gebäude einfach verfallen“.
Mir fällt dazu die jährliche Inspektion der Rauchmelder ein. Ich habe mich schon oft gefragt, wie viele Brände dadurch tatsächlich verhindert werden. Hatte den Servicemann mal gefragt; der hat nur mit den Schultern gezuckt.
Die Gesetze werden von Beamten in Ministerien geschrieben. Wenig werde dabei an die Umsetzung in der Verwaltung gedacht, so Schmidt. Sein Rat: Gesetzgebung und Verwaltung müssten enger zusammenarbeiten.
Ein hoffnungsvolles Beispiel, um Bürokratie zu stoppen und Vertrauen sowie Fehlerkultur aufzubauen:
Der Praxischeck – eingeführt vom Wirtschaftsministerium (BMWK) – soll Prozesse in der Verwaltung erleichtern. In der Photovoltaik hat das Ministerium zusammen mit Energieexperten den Prozess von der Entscheidung für eine Anlage bis zur Inbetriebnahme durchleuchtet. Etliche bürokratische Hindernisse wurden sichtbar. Die Ergebnisse sind in das Solarpaket eingeflossen.
Worum geht es? - Um Experimentierfreude, um Fehlerkultur. Experimentieren, Irren und daraus die richtigen Schlüsse ziehen.
Hier noch mal das Papier und die Artikel, die ich verwendet habe.
Thomas Licht, Barbara Unger, Annette von Maltzan und Klaus Wohlrabe: Aufwand, Kosten und Folgen von Bürokratie aus Unternehmenssicht
Tanja Gönner: Bürokratie als Wachstumsbremse: Herausforderungen und Lösungsansätze für den Industriestandort Deutschland
Klaus M. Schmidt: Ergebnisorientierte Bürokratie gestalten
Comments